Pitten - Corvinusbecher
(~1485)


Der Überlieferung nach ist der vergoldete Silberbecher in Form einer Eichel ein Geschenk des ungarischen Königs Matthias Corvinus an den Pittener Hauptmann Wolf Teufel im Jahr 1485, der sich erst nach angeblich mehrjährigem erfolgreichen Kampf gegen die Ungarn ergeben hatte. König Matthias soll persönlich gekommen sein, um Wolf Teufel zu sehen, und ihm als Anerkennung für dessen tapferen Widerstand den Eichelpokal, aus dem er getrunken hatte, geschenkt haben. Diese Haustradition der Familie Teufel beruht allerdings auf einer späteren, auf dem Pokal eingravierten Versumschrift sowie einer Eintragung im Gedenkbuch der Familie aus dem Jahr 1672.
Der auch "kleiner Corvinusbecher" genannte Pokal war früher nur aus einer Lithografie des 19. Jahrhunderts bekannt und wurde erst 1968 wiederentdeckt. Der als Eichel mit Eichelblättern geformte Becher ist ein überaus originelles Stück und zeigt stilistisch die naturalistischen Tendenzen der Spätgotik. Aus dem späten 15. Jahrhundert sind mehrere Gefäße in Blüten- und Pflanzenform bekannt, darunter ein Blütenpokal als Geschenk der Königin Beatrix, Gemahlin des Matthias Corvinus, an die Stadt Wien.
Der abnehmbare Deckel trägt das Wappen der Teufel und die Inschrift "WOLF TEVFEL HAVPTMAN ZV PITTEN 1485". Die Versumschrift schildert jene Begebenheit, die zur Schenkung des Bechers führte. Angeblich soll Wolf Teufel die Gravur zur Erinnerung an König Matthias veranlasst und den Pokal als Willkommensbecher gestiftet haben. Nach der Schriftform dürfte die Gravur aber erst aus dem 16. oder 17. Jahrhundert stammen.
1672 gab der letzte männliche Teufel, Otto Christoph, Freiherr auf Guntersdorf, dem Becher ein Gäste- und Ehrenbuch bei, das etwa 350 Nameneintragungen sowie Sprüche enthält, die sich großteils auf die Familie, den Becher und die Eichelgesellschaft beziehen. Auf den beiden ersten Seiten ist das Wappen der Teufel und der Becher dargestellt. Es folgt eine fast getreue Wiedergabe der Becherumschrift und eine ausführliche Darstellung der Geschichte des Bechers bis zum Jahr 1672.
(Quelle: J. Balogh/G. Stangler, in: Matthias Corvinus und die Renaissance in Ungarn, Katalog des NÖ Landesmuseums, Neue Folge Nr. 118, 1982, S. 267-269)